LG Bonn, Urteil vom 26.07.2016 - 8 S 43/16
Tenor
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Amtsgerichts Siegburg vom 22.01.2016 (105 C 8/15) - unter Zurückweisung der Berufung im Übrigen teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:
Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 1.791,75 EUR nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 21.01.2015 zu zahlen. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits erster Instanz tragen die Klägerin zu 35 % und die Beklagte zu 65 %; die Kosten des Rechtsstreits zweiter Instanz werden der Klägerin zu 36 % und die Beklagte zu 64 % auferlegt.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
I.
Auf die Darstellung des Tatbestandes wird gemäß §§ 540 Abs. 2, 313 a Abs. 1 S. 1 ZPO verzichtet. Da die Revision nicht zugelassen wurde und der für die Nichtzulassungsbeschwerde nach § 26 Nr. 8 EGZPO erforderliche Beschwerdewert nicht erreicht wird, ist ein Rechtsmittel gegen das Urteil unzweifelhaft nicht zulässig.
II.
Die zulässige Berufung der Klägerin ist nur teilweise begründet. Der Klägerin steht gegen die Beklagte ein Anspruch auf Zahlung von insgesamt 1.791,75 EUR gemäß §§ 7 Abs. 1, 17 Abs. 1 und 2, 18 Abs. 1 und 3 StVG i. V. m. §§ 3 PflVersG, 115 Abs. 1 Nr. 1 VVG sowie §§ 535 Abs. 2, 398 i. V. m. §§ 249 ff. BGB zu.
1.
Gemäß § 249 Abs. 2 S. 1 BGB kann ein Geschädigter vom Schädiger den zur Schadenskompensation erforderlichen Geldbetrag verlangen. Zu den Kosten der Schadensbehebung nach einem Verkehrsunfall gehören grundsätzlich auch die Kosten für die Anmietung eines Ersatzfahrzeuges. Der Eigentümer eines total beschädigten Fahrzeugs kann Mietwagenkosten allerdings nur für den Zeitraum vom Schädiger beanspruchen, in dem ihm die Beschaffung eines gleichartigen und gleichwertigen Ersatzfahrzeugs auf dem Gebrauchtwagenmarkt bei unverzüglichen Bemühungen möglich gewesen wäre. Diese normale Wiederbeschaffungsfrist setzt sich zusammen aus dem Zeitraum bis zur Klärung, ob ein Totalschaden vorliegt, einer - kurzen - Überlegungsfrist sowie der angemessenen Zeit zur Beschaffung eines entsprechenden Fahrzeuges (OLG Celle, Urteil vom 24. Oktober 2007 - 14 U 85/07 -, Rn. 9, juris; LG Duisburg, Urteil vom 06. März 2015 - 2 O 205/12 -, juris; LG Saarbrücken, Urteil vom 15. Mai 2015 - 13 S 12/15 -, Rn. 24, juris; König, in: Hentschel/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht, 43. Aufl., § 12 StVO Rn. 37 m.w.N.). Unter Anwendung dieser Grundsätze steht dem Geschädigten C (Schadenfall 3) ein über den bereits regulierten Zeitraum von 15 Tagen hinausgehender Anspruch auf Nutzungsausfallentschädigung nicht zu. Zwischen den Parteien ist erstinstanzlich unstreitig gewesen, dass ein "eindeutiger Totalschaden" vorlag mit der Folge, dass der Geschädigte sich sofort um ein Ersatzfahrzeug hätte bemühen müssen und nicht erst die Fertigstellung des schriftlichen Schadensgutachtens hätte abwarten dürfen (vgl. (LG Bonn, Urteil vom 10. Juli 2009 - 5 S 266/08 -, Rn. 29, juris). Entgegen der mit Schriftsatz vom 18.05.2016 geäußerten Auffassung der Klägerin musste der Geschädigte angesichts des Baujahrs, der Laufleistung und der Beschädigung des Fahrzeugs weder den genauen Wiederbeschaffungswert noch den konkreten Restwert kennen, um zu erkennen, dass eine Reparatur wirtschaftlich nicht sinnvoll war und ein Totalschaden vorlag (vgl. LG Bonn, Urteil vom 10. Juli 2009 - 5 S 266/08 -, Rn. 29, juris). Soweit die Klägerin die Auffassung vertritt, der Geschädigte kenne erst mit Eingang des Gutachtens die "entscheidenden Werte", ist zu berücksichtigen, dass der wirtschaftliche Totalschaden unstreitig offensichtlich war, so dass es - wie bereits dargetan - keiner Einholung eines Sachverständigengutachtens bedurfte, um dies zu erkennen. Angesichts der von dem Sachverständigen ermittelten Wiederbeschaffungsdauer von 9 Tagen ist deshalb - unter Berücksichtigung einer kurzen Bedenk- und Orientierungszeit - nur der Ersatz von Mietwagenkosten für 15 Tagen geschuldet. Der Anspruch auf Zahlung von Nutzungsentschädigung ist deshalb in Höhe von 235,60 EUR der Anspruch auf Erstattung der Kosten für einen Zusatzfahrer und ein Winterreifen in Höhe von insgesamt 506,60 EUR begründet mit der Folge, dass die Berufung in Höhe von 362,00 Erfolg hat.
2.
Soweit die Beklagte die Auffassung vertritt, ihr an die Ehefrau des Geschädigten unterbreitetes Angebot zur Direktvermittlung führe dazu, dass der Klägerin für den Schadenfall 1 ein Anspruch auf Zahlung von weiterem Schadensersatz nicht zustehe, ist die Berufung unbegründet. Die Klägerin hat mit Schriftsatz vom 20.05.2015 bestritten, dass die Beklagte mit der Ehefrau des Geschädigten über die Einzelheiten des Mietvertrags, insbesondere über die Kosten für einen Zusatzfahrer gesprochen habe. Die Beklagte hat demgegenüber in der Klageerwiderung vom 17.02.2015 unter Beweisantritt nur behauptet, die Ehefrau des Geschädigten darauf hingewiesen zu haben, dass ein "vergleichbares Fahrzeug für 57,00 € brutto täglich" erhältlich sei. Dieses Angebot ist auf Grund fehlender Spezifizierung bereits nicht annahmefähig gewesen, so dass dem Geschädigten vorliegend kein wesentlich günstigerer Tarif zugänglich bzw. zumutbar war.
3.
Der Zinsanspruch ist gemäß §§ 280 Abs. 1 und 2, 286 Abs.1, 288 BGB gerechtfertigt.
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 92 Abs. 1, 97 Abs. 1, 269 Abs. 3 S. 2 ZPO.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit richtet sich nach § 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO.
IV.
Für die Zulassung der Revision nach § 543 Abs. 2 S. 1 ZPO besteht keine Veranlassung. Die Sache hat weder grundsätzliche Bedeutung noch ist eine Entscheidung des Revisionsgerichts zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich.
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 979,92 EUR festgesetzt.