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LG Bielefeld, Urteil vom 22.11.2016 - 2 O 376/15

Tenor

1.

Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an den Kläger 2.018,73 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszins seit dem 10.07.2015 zu zahlen.

2.

Es wird festgestellt, dass die Beklagten als Gesamtschuldner verpflichtet sind, dem Kläger sämtlichen weiteren Schaden, insbesondere die restlichen Reparaturkosten, die Umsatzsteuer und die Wertminderung, welche im Zusammenhang mit dem Verkehrsunfall vom 08.05.2015 entstanden sind und zukünftig entstehen werden, zu einem Drittel zu ersetzen.

3.

Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, den Kläger in Höhe von insgesamt 334,75 € vorgerichtlich angefallener Rechtsanwaltskosten und Auslagen seiner Prozessbevollmächtigten freizustellen.

4.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

5.

Von den Kosten des Rechtsstreits haben der Kläger 57 % und die Beklagten als Gesamtschuldner 43 % zu tragen.

6.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar, für den Kläger jedoch nur gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils beizutreibenden Betrages.

Der Kläger kann die Vollstreckung seitens der Beklagten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des für diese nach dem Urteil beizutreibenden Betrages abwenden, sofern nicht die Beklagten vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils beizutreibenden Betrages leisten.

Tatbestand

Am 08.05.2015 ereignete sich in C. auf der W. Straße ein Verkehrsunfall, an dem der Kläger mit seinem PKW Renault, amtliches Kennzeichen xxx, und der Beklagte zu 1. mit dem bei der Beklagten zu 2. haftpflichtversicherten PKW BMW, amtliches Kennzeichen xxx, beteiligt waren. Beide Fahrzeugführer beabsichtigten, nach links in die Q. Straße abzubiegen, wobei der Kläger hinter dem Beklagten zu 1. fuhr.

Vor dem Beklagten zu 1. fuhr ein weiteres Fahrzeug, welches nach links in die Q. Straße abbog. Die für die Beteiligten maßgebliche Lichtzeichenanlage schaltete dann von Grünlicht auf Gelblicht um, wobei zwischen den Parteien streitig ist, ob der vor dem Beklagten zu 1. fahrende PKW-Fahrer noch bei Grün- oder bereits bei Gelblicht in den Kreuzungsbereich einfuhr.

Unstreitig beabsichtigte der Beklagte zu 1. zunächst, dies auch noch zu tun. Er bremste das von ihm geführte Fahrzeug deshalb nicht sogleich nach Umschalten der Lichtzeichenanlage auf Gelblicht ab, wurde dann aber von seinem Vater, dem Zeugen L., aufgefordert, anzuhalten. Der Beklagte zu 1. war zum Unfallzeitpunkt noch 17 Jahre alt und steuerte das Fahrzeug im Rahmen des "begleiteten Fahrens". Er kam der Aufforderung seines Vaters dann nach, bremste das Fahrzeug bis zum Stillstand ab, wobei zwischen den Parteien streitig ist, ob dies im Wege einer etwas stärkeren oder einer Vollbremsung geschah. Das Fahrzeug kam dann so zum Stehen, dass der Beklagte zu 1. etwas über die Haltelinie gefahren war.

Der Kläger hatte in diesem Moment nicht mehr mit einem Anhalten des Beklagten zu 1. gerechnet, bremste sein Fahrzeug zwar dann ebenfalls ab, fuhr jedoch auf das vom Beklagten zu 1. gesteuerte Fahrzeug auf.

Während er bei der polizeilichen Unfallangabe angegeben hat, er habe sein Fahrzeug wegen des Umschaltens der Ampelanlage anhalten wollen, hat er bei seiner Anhörung gemäß § 141 ZPO eingeräumt, auch noch die Absicht gehabt zu haben, bei Gelblicht in die Kreuzung einzufahren und nach links abzubiegen.

Der Kläger hat sein Fahrzeug bislang nicht reparieren lassen - nach seinen Angaben mangels ausreichender finanzieller Mittel. Er beabsichtige dies aber nach wie vor.

Auf Grundlage des Wiederbeschaffungsaufwandes beträgt der gesamte dem Kläger entstandene materielle Schaden bislang 6.056,18 €, von dem er 75 % erstattet verlangt.

Die Beklagte zu 2. wurde mit anwaltlichem Schreiben vom 28.05.2015 zur Schadensersatzleistung aufgefordert. Sie lehnte eine Leistung mit Schreiben vom 09.07.2015 (Anlage K 5; Blatt 33 d. A.) ab.

Der Kläger behauptet, der Beklagte zu 1. habe nach dem Umschalten der Lichtzeichenanlage zunächst noch Gas gegeben und sodann plötzlich eine Vollbremsung durchgeführt.

Der Kläger beantragt,

1.

die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an ihn 4.542,14 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über den Basiszinssatz der EZB seit dem 10.07.2015 zu zahlen,

2.

festzustellen, dass die Beklagten als Gesamtschuldner verpflichtet sind, ihm sämtlichen weiteren Schaden, insbesondere auch die restlichen Reparaturkosten, die Umsatzsteuer und die Wertminderung sowie die Nutzungsausfallentschädigung bzw. Mietwagenkosten, welcher im Zusammenhang mit dem Verkehrsunfall vom 26.02.2015 - gemeint offenbar: 08.05.2015 - entstanden und zukünftig noch entstehen wird, zu ersetzen,

3.

die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, den Kläger in Höhe von insgesamt 492,54 € an vorgerichtlich angefallenen Rechtsanwaltskosten seiner Prozessbevollmächtigten und Auslagen freizustellen.

Die Beklagten beantragen,

die Klage abzuweisen.

Sie behaupten, der Beklagte zu 1. habe das von ihm geführte Fahrzeug ordnungsgemäß angehalten. Aufgrund des Umschaltens auf Gelblicht sei er dazu auch verpflichtet gewesen.

Der Beklagte zu 1. hat bei seiner Anhörung gemäß § 141 ZPO im Termin bekundet, das von ihm geführte Fahrzeug habe nur noch gerollt. Sein Vater habe ihn dann darauf hingewiesen, dass er es nicht mehr schaffen würde. Er habe dann kurz überlegt und normal gebremst. Die Bremsung sei zwar etwas stärker gewesen, am Schluss auch etwas abrupt; es habe sich aber nicht um eine Vollbremsung gehandelt. Zum Zeitpunkt der Äußerung seines Vaters habe die Entfernung zur Ampelanlage noch ca. 25 bis 30 m betragen. Er sei dann kurz hinter der Haltelinie zum Stehen gekommen, habe diese also geringfügig überfahren.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf die ausgetauschten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Das Gericht hat Beweis erhoben durch Vernehmung der Zeugen G. und L. sowie der Zeugin L.. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Sitzungsprotokoll vom 22.11.2016 (Blatt 62 bis 68 d. A.) Bezug genommen.

Gründe

Die Klage ist in dem zuerkannten Umfang begründet, im Übrigen unbegründet.

Der Beklagte zu 1. hat schuldhaft eine Mit - Ursache für das Zustandekommens des streitgegenständlichen Verkehrsunfalls gesetzt, indem er nach dem Umschalten der Lichtzeichenanlage von Grünlicht auf Gelblicht zunächst weitergefahren ist und erst zu einem so späten Zeitpunkt eine Vollbremsung durchgeführt hat, dass er nicht mehr vor, sondern erst ein Stück hinter der Haltelinie zum Stehen kam.

Letzteres steht nach der Beweisaufnahme zur Überzeugung des Gerichts fest. Die abweichenden Angaben des Beklagten zu 1. sind nicht glaubhaft. Er hat bekundet, das von ihm geführte Fahrzeug sei nur noch gerollt - die gleiche Formulierung haben auch seine Eltern, die Zeugen L. verwendet. Auf Nachfrage hat der Zeuge L. angegeben, er verstehe darunter normale Stadtgeschwindigkeit, also eine solche im Rahmen von etwa 45 km/h, während die Zeugin L. das Rollen mit einer Geschwindigkeit von 20 bis 30km/h gleichgesetzt hat. Der Beklagte zu 1. hat bekundet, sein Vater habe ihn in einer Entfernung von 25 bis 30 m vor der Ampelanlage darauf hingewiesen, dass er es nicht mehr schaffen werde. Diese Äußerung sei gefallen, nachdem er, der Beklagte zu 1., zunächst auf das Umschalten der Ampelanlage nicht durch Bremsen reagiert habe. Der Zeuge L. hat diese Angabe - auch er hat eine Entfernung von 20 bis 30 m genannt - bestätigt. Die Ampelanlage muss deshalb beim Umschalten noch deutlich weiter entfernt gewesen sein. Der Beklagte zu 1. hatte deshalb die Möglichkeit, durch eine ganz normale Betriebsbremsung, das von ihm geführte Fahrzeug abzubremsen. Diese Möglichkeit hätte - auch bei einer Geschwindigkeit von 45 km/h - auch noch bestanden, wenn er das Bremsmanöver nach der Aufforderung seines Vaters eingeleitet hätte.

Das Gericht folgt der Aussage des Zeugen G., der direkt hinter den beiden Unfallbeteiligten fuhr und bekundet hat, das Bremsmanöver des Beklagten zu 1. sei ein plötzliches schreckhaftes gewesen; es sei eine Vollbremsung gewesen. Damit korrespondiert auch die übereinstimmende Angabe aller Beteiligten, dass es dem Beklagten zu 1. nicht mehr gelungen ist, vor der Haltelinie zum Stehen zu kommen. Das Gericht ist deshalb davon überzeugt, dass der Beklagte zu 1. sein Bremsmanöver zu einem extrem späten Zeitpunkt eingeleitet hat, zu dem der Kläger nachvollziehbarerweise nicht mehr damit gerechnet hat, dass es noch zu diesem Bremsmanöver kommen würde. Der Beklagte zu 1. hat deshalb nicht nur gegen § 1 StVO verstoßen, wonach von einem Verkehrsteilnehmer ständige Vorsicht und gegenseitige Rücksicht verlangt wird, sondern auch gegen § 4 Abs. 1 Satz 2 StVO, wonach derjenige, der vorausfährt, nicht ohne zwingenden Grund stark bremsen darf. Einen solchen zwingenden Grund gab es vorliegend nicht. Der Beklagte zu 1. hat nach Überzeugung des Gerichts stark gebremst, weil er sein Bremsmanöver viel zu spät eingeleitet hat. Es wäre ihm aus den dargelegten Gründen möglich gewesen, und er wäre deshalb auch dazu verpflichtet gewesen, sein Fahrzeug schon deutlich früher - und dafür nicht so stark - abzubremsen. Die abweichenden Angaben der Eltern des Beklagten zu 1) als Zeugen, es habe sich nur um eine etwas stärkere, aber keine Vollbremsung gehandelt, sind nach Überzeugung des Gerichts nicht glaubhaft.

Auch den Kläger trifft jedoch ein erhebliches Verschulden am Zustandekommen des Unfalls. Er wäre gemäß § 37 Abs. 2, 1., Satz 5 StVO verpflichtet gewesen, aufgrund des Umschaltens des Ampellichts sein Fahrzeug anzuhalten. Er hat bei seiner Anhörung eingeräumt, dass er dies nicht beabsichtigt hatte, sondern noch bei Gelblicht in den Kreuzungsbereich einfahren wollte. Hätte er sein Fahrzeug vorschriftsgemäß abgebremst, so hätte er bei Einhaltung des erforderlichen Sicherheitsabstandes gemäß § 4 Abs. 1 Satz 1 StVO sein Fahrzeug ohne Weiteres hinter dem vom Beklagten zu 1. gesteuerten Fahrzeug zum Stillstand bringen können, ohne aufzufahren. Der Kläger hat also auch gegen die letztgenannte Vorschrift verstoßen.

Da bereits der Beklagte zu 1. aus den bereits dargelegten Gründen problemlos sein Fahrzeug hätte anhalten können, wäre auch der Kläger hierzu problemlos in der Lage gewesen, da er beim Umschalten der Ampelanlage von dieser noch weiter entfernt war als der Beklagte zu 1.

Insgesamt überwiegt das Verschulden des Klägers als Führer des auffahrenden Fahrzeugs deutlich. Auch wenn das Fahrverhalten des Beklagten zu 1. irreführend war und der Kläger offensichtlich nicht mehr mit einem Bremsmanöver des Beklagten zu 1. gerechnet hat, hätte er dies doch tun müssen. Die Pflicht des Beklagten zu 1., sein Fahrzeug anzuhalten, war nämlich nicht aufgehoben. Selbst wenn er die Gelbphase übersehen hätte und nur noch bei Rotlicht vor Erreichen der Kreuzung hätte anhalten können, hätte der Beklagte zu 1. dies tun müssen (vgl. Hentschel - König, Straßenverkehrsrecht, 42. Auflage, § 37 StVO, Rn 24).

Beide Unfallbeteiligten haben somit schuldhaft eine Mitursache für den streitgegenständlichen Verkehrsunfall gesetzt und haften aus §§ 7, 18 StVG, 823 BGB in Verbindung mit den genannten Vorschriften der StVO, die Beklagte zu 2. in Verbindung mit § 115 Abs.1 Satz 2 VVG.

Eine Abwägung der Verursachungs- und Verschuldensanteile gemäß §§ 17 StVG, 254 BGB führt zur Überzeugung des Gerichts aus den oben genannten Gründen zu einer Haftungsverteilung von 1/3 zu 2/3 zu Lasten des Klägers. Er kann von den Beklagten somit nur 1/3 seines Schadens ersetzt verlangen.

Dies ergibt angesichts des der Höhe nach unstreitigen Gesamtschadens von 6.056,18 € einen Betrag von 2.018,73 €.

Der Feststellungsantrag ist in dem zuerkannten Umfang begründet. Grundsätzlich ist das beschädigte Fahrzeug des Klägers nach dem vorgelegten Gutachten reparaturwürdig, so dass im Falle der Durchführung einer Reparatur weitere erstattungsfähige Positionen anfallen würden, nämlich die Differenz zwischen Reparaturaufwand und Wiederbeschaffungsaufwand, etwaige Mehrwertsteuer auf die Reparaturkosten und Wertminderung. Angesichts des Zeitablaufes wäre ein Anspruch auf Nutzungsausfallentschädigung oder Erstattung von Mietwagenkosten jedoch nicht mehr begründet. Das Feststellungsinteresse entfällt nicht deshalb, weil nach Vorbringen der Beklagten kein Anlass zu der Annahme bestehen würde, diese würden die Übernahme berechtigter Ansprüche ablehnen, falls eine Mithaftung bestehen sollte.

Der Zinsanspruch folgt aus §§ 286, 288 BGB, der Anspruch auf Freistellung von vorgerichtlichen Anwaltskosten aus § 280 BGB.

Der diesbezügliche Anspruch ist der Höhe nach aber lediglich auf Grundlage der berechtigten Schadensersatzforderung zu berechnen. Dies ergibt den insoweit ausgeurteilten Betrag.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit aus §§ 708 Nr. 11, 709, 711 ZPO.

Lukas Jozefaciuk