Bayerischer VGH, Urteil vom 24.09.2015 - 4 B 14.1831
Tenor
I. Das Urteil des Verwaltungsgerichts Würzburg vom 11. März 2014 (W 4 K 13.911) wird aufgehoben. Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin einen Betrag in Höhe von 5.304,67 Euro nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 9. September 2013 zu bezahlen.
II. Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen.
III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
IV. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Rückerstattung von Kosten in Höhe von 5.304,65 Euro, die im Rahmen der Beseitigung eines Ölschadens angefallen sind und von der Beklagten der Klägerin in Rechnung gestellt wurden.
Im April 2012 kaufte die Firma S. (Steinbruchbetrieb) bei der Klägerin einen Radlader (Gewicht ca. 30 t). Die Klägerin beauftragte später die Transportfirma T. mit der Lieferung des Radladers durch einen Tieflader auf das Betriebsgelände der Firma S.. Bei der Anlieferung am Morgen des 24. August 2012 (Freitag) wurde vor der engen Ortsdurchfahrt von Röttbach der Tieflader durch einen Mitarbeiter der Firma S. wahrgenommen. Dieser versuchte, den Fahrer des Tiefladers durch die Ortsdurchfahrt von Röttbach zum Steinbruch zu lotsen. Die Gasse war jedoch offensichtlich zu eng für eine Durchfahrt. Der Angestellte der Firma S. fuhr daraufhin (wohl nach Rücksprache mit dem Geschäftsführer der Firma S.) den Radlader vom Tieflader herunter, um diesen selber durch den Ort hindurch zum Steinbruch zu fahren. In einer Gasse trat dann plötzlich aus der rechten Seite des Radladers unter hohem Druck ein Sprühstrahl Hydrauliköl in großer Menge aus. Durch diesen Ölstrahl wurde nicht nur die öffentliche Straße der Beklagten, sondern auch der Hof eines privaten Anwesens mit Öl verschmutzt. Wenige Minuten nach Austritt des Öls aus dem Radlader setzte starker Regen ein. Durch die alarmierte Feuerwehr wurde eine Ölsperre errichtet und das Öl mit einem Ölbindemittel abgestreut, welches anschließend wieder abgekehrt bzw. durch eine Reinigungsfirma mit entsprechenden Maschinen aufgenommen wurde.
Mit Schreiben vom 21. September 2012 forderte der Beklagte von der Klägerin einen Betrag in Höhe von 5.299,67 Euro. Dieses Schreiben enthält den Betreff „Kostenerstattung wegen Ölunfall“ und in Fettdruck auf der Mitte des Blattes das Wort „Rechnung“. Die verlangte Summe setzt sich aus verauslagten Kosten für eine Rechnung der Firma Sch. vom 29. August 2012 in Höhe von 4.208,67 Euro, einer Rechnung der Abwasserbeseitigung Wertheim (ABW) vom 13. September 2012 in Höhe von 869 Euro, angeführten Kosten für drei Stunden Bauhofarbeiter in Höhe von 117 Euro, Kosten für eine Stunde Kehrmaschine Bauhof mit Fahrer in Höhe von 55 Euro und einer Verwaltungspauschale von 50 Euro zusammen. In der „Rechnung“ wird weiter erklärt, dass sich der Beklagte um die „Beseitigung der Schäden“ gekümmert habe. Die Klägerin sei als Verursacherin „zur Erstellung der verauslagten Kosten verpflichtet“. Für den Einsatz der Feuerwehr werde die Klägerin zu gegebener Zeit noch einen separaten Kostenbescheid erhalten.
In der Rechnung der Fa. Sch. ist als Auftraggeber „GDV“ angegeben. Die abgerechneten Tätigkeiten sind wie folgt beschrieben: „Fahrbahn auf ca. 150 m Länge und 5 m Breite mit Reinigungsmaschine abgereinigt. Hofeinfahrt ca. 120 m² abgereinigt. Mit Handlanze Eingangstreppe abgereinigt. Ölbindemittel der Feuerwehr mitentsorgt. Schmutzwasser am 27.8. zum Entsorger transportiert.“ In der Rechnung der Abwasserbeseitigung Wertheim (ABW) ist unter dem Betreff „Ölunfall 24.8.2012 in Röttbach“ als Unfallverursacher die Firma S. angegeben. Die abgerechneten Leistungen sind wie folgt beschrieben: „Mit HD-Spül- und Saugwagen die im Bereich der Unfallstelle liegenden Straßeneinläufe und Hofentwässerung sowie die verunreinigte Kanalstrecke gespült und abgesaugt…. Abwassertechnische Anlagen zum Teil gereinigt. Am 25.8.2012 Nachschau und Kontrolle der Abwasseranlage sowie Überprüfung der Abwassermesswerte auf der Kläranlage. Am 27.8.2012 Materialaustausch der Versickerungsfugen vom Ökopflaster links neben der Hofeinfahrt der Familie J. nach Vorgabe des Wasserwirtschaftsamtes.“
Nach Mahnung (unter Auferlegung von 5 Euro für „pauschale Mahnauslagen“) und Ankündigung der Vollstreckung durch den Beklagten zahlte die Klägerin am 19. Dezember 2012 den geforderten Geldbetrag (einschließlich der Mahnauslagen). Dabei bezeichnete der Beklagte seine Forderung jeweils als „privatrechtliche Forderung“.
Im Rahmen der Anhörung der Klägerin zur Abrechnung von Feuerwehreinsatzkosten beauftragte diese schließlich eine Anwaltskanzlei, die vom Beklagten die Rückzahlung des von der Klägerin überwiesenen Geldbetrags forderte. Der Beklagte verweigerte jedoch die Rückzahlung mit dem Argument, dass die Klägerin als Verursacherin des Schadens zur Kostentragung verpflichtet sei.
Mit Klage vom 5. September 2013, beim Verwaltungsgericht Würzburg eingegangen am 9. September 2013, erhob die Klägerin Klage gegen den Beklagten und beantragte, diesen zu verurteilen, an die Klägerin einen Betrag in Höhe von 5.304,67 Euro nebst Zinsen hieraus in Höhe von mindestens 5 %-Punkten seit dem 19. April 2013 zu zahlen. Das Verwaltungsgericht Würzburg wies diese Klage mit Urteil vom 11. März 2014 ab. Es handle sich um eine öffentlich-rechtliche Streitigkeit, weil Aufwendungen geltend gemacht würden, die anlässlich der Beseitigung eines entstandenen Ölschadens angefallen seien. Die Klägerin könne keinen Anspruch auf Rückzahlung aus ungerechtfertigter Bereicherung geltend machen. Die zivilrechtlichen §§ 812 ff. BGB seien auf öffentlich-rechtliche Rechtsverhältnisse grundsätzlich nicht anwendbar. Auch der allgemeine öffentlich-rechtliche Erstattungsanspruch führe nicht zu einem Anspruch der Klägerin auf Rückzahlung. Leistungen ohne Rechtsgrund oder sonstige rechtsgrundlose Vermögensverschiebungen müssten zwar auch im öffentlichen Recht rückgängig gemacht werden. Vorliegend stelle aber das Schreiben des Beklagten vom 21. September 2012 einen Rechtsgrund dar, denn es handle sich dabei um einen Verwaltungsakt im Sinne von Art. 35 Satz 1 BayVwVfG. Das Fehlen einer Rechtsbehelfsbelehrung schließe für sich allein das Vorliegen eines Verwaltungsakts nicht zwingend aus. Hier spreche schon der äußere Anschein für einen Verwaltungsakt, denn die Nennung des Beklagten als Absender im Briefkopf weise auf einen öffentlich-rechtlichen Charakter und damit auf eine verbindliche Regelung hin. Auch sei im oberen Teil der „Rechnung“ nicht von einer Kunden- oder Rechnungsnummer oder einem Rechnungsdatum die Rede, sondern von einem Aktenzeichen. Auch der Wortlaut des Schreibens spreche für einen Verwaltungsakt, weil darin ausgeführt sei, dass der Kläger als Verursacher zur Erstellung der verauslagten Kosten verpflichtet sei. Auch sei die Klägerin offenbar selbst davon ausgegangen, dass das Schreiben vom 21. September 2012 als Verwaltungsakt verstanden worden sei, weil sie das Handeln des Beklagten im Verfahren als dem öffentlichen Recht zugehörend angesehen habe. Der besagte Verwaltungsakt leide auch bei fehlender gesetzlicher Grundlage nicht an einem so schwerwiegenden Fehler, dass von einer Nichtigkeit der Regelung im Sinne von Art. 44 BayVwVfG auszugehen sei und bilde damit einen Rechtsgrund für das Behaltendürfen der bezahlten Geldsumme.
Im Laufe des Berufungszulassungsverfahrens verwies der Beklagte mit Schriftsatz vom 30. Juni 2014 auf den Einsatzbericht der Freiwilligen Feuerwehren beim Beklagten und vertrat die Auffassung, dass die verauslagten Kosten insbesondere der Fa. Sch. und des gemeindlichen Bauhofs zu den notwendigen Aufwendungen des Feuerwehreinsatzes gehört hätten. Diese Kosten seien daher neben den Kosten für die Feuerwehrfahrzeuge und Feuerwehrleute nach Art. 28 Abs. 1 BayFwG zu erstatten. Dem Schriftsatz des Bevollmächtigten des Beklagten war ein „Bescheid vom 6. Juni 2014“ an die Klägerin beigefügt, mit dem der Beklagte die Klägerin zum Ersatz der Feuerwehreinsatzkosten in Höhe von insgesamt 7.797,62 Euro verpflichtet. Am Ende dieses Bescheides findet sich der Hinweis, dass vom geforderten Betrag 5.299,67 Euro bereits bezahlt seien. Es sei daher nur noch der Restbetrag von 2.497,95 Euro zu entrichten.
Der Verwaltungsgerichtshof stellte den Bescheid vom 6. Juni 2014 als Anlage zum Schriftsatz des Beklagtenbevollmächtigten auch der Bevollmächtigten der Klägerin zu. Diese wies darauf hin, dass sie für ihre Mandantschaft noch einen weiteren Bescheid über die Verpflichtung zur Tragung der Feuerwehreinsatzkosten vom 14. Juli 2014 erhalten habe, der jedoch mit dem vom Gericht übersandten Bescheid vom 6. Juni 2014 nicht ganz inhaltsgleich sei. Sie habe daher beide Bescheide mit einem Widerspruch angefochten. Über diese Widersprüche sei noch nicht entschieden.
Mit der zugelassenen Berufung verfolgt die Klägerin ihr Klageziel weiter und beantragte zuletzt,
den Beklagten unter Aufhebung des Urteils des Bayerischen Verwaltungsgerichts Würzburg vom 11. März 2014 zu verurteilen, an die Klägerin einen Betrag in Höhe von 5.304,67 Euro nebst Zinsen hieraus in Höhe von mindestens 5 %-Punkten seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
Der Radlader sei von der Klägerin auf Verlangen der Firma S. durch eine Spedition auf das Betriebsgelände der Firma S. geliefert worden, Erfüllungsort des Kaufvertrags sei aber der Sitz der Klägerin gewesen. Die Klägerin habe von dem Ölunfall und den genauen Umständen erst später erfahren. Sie habe keine Kenntnis von der Bewegung des Radladers durch den Angestellten der Fa. S. oder einer entsprechenden Anweisung durch den Inhaber der Fa. S. gehabt. Die Klägerin habe auch unter keinen Umständen gewollt, dass eine Abladung des Radladers außerhalb des Betriebsgeländes der Fa. S. erfolgte, da sich die Klägerin an die entsprechende vertragliche Vereinbarung habe halten wollen. Der Verwaltungsrechtsweg sei vorliegend gegeben, die Rechnung der Beklagten vom 21. September 2012 sei als öffentlich-rechtlich zu qualifizieren. Der Anspruch der Klägerin auf Erstattung des gezahlten Geldbetrages ergebe sich aus öffentlichem Recht. Der Beklagte habe einen Vermögensvorteil erlangt, ohne dass dafür ein Rechtsgrund vorliege. Die Klägerin sei unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt zum Ersatz der Kosten für die Beseitigung von Schäden aufgrund des Ereignisses vom 24. August 2012 verpflichtet. Sie sei offensichtlich nicht Verursacherin der Verunreinigungen. Verantwortlich sei allein die Fa. S. bzw. der für diese Firma am Steuer des Radladers sitzende Angestellte gewesen, der auf Anordnung der genannten Firma den Radlader durch die Ortschaft Röttbach gefahren habe und dabei den Schaden verursacht habe. Es sei kein wirksamer belastender Verwaltungsakt gegenüber der Klägerin ergangen oder eine Verantwortlichkeit aus anderen Gesetzen ersichtlich. Die rechtliche Wertung des Verwaltungsgerichts sei insoweit unzutreffend. Zwar möge der Beklagte grundsätzlich berechtigt sein, im Falle einer Verunreinigung von Gemeindestraßen als Träger der öffentlichen Straßenbaulast nach Art. 47 Abs. 1, Art. 16 BayStrWG den Verursacher in Anspruch zu nehmen. Ungeachtet der Tatsache, dass dies auf die Klägerin nicht zutreffe, sei eine entsprechende Festsetzung durch Leistungsbescheid vorliegend aber gerade nicht ergangen. Bei dem Schreiben vom 21. September 2012 handle es sich bloß um eine Rechnung. Auch eine Auslegung der „Rechnung“ nach dem objektivierten Empfängerhorizont ergebe kein anderes Ergebnis. Vorsorglich weise die Klägerin noch darauf hin, dass sie zum Zeitpunkt des Feuerwehreinsatzes am 24. August 2012 nicht Eigentümerin des Radladers gewesen sei. Dieser sei wegen Finanzierung des Kaufpreises sicherungsübereignet gewesen.
Der Beklagte beantragte mit Schriftsatz vom 31. Oktober 2014,
die Berufung zurückzuweisen.
Der Beklagte habe aus unterschiedlichen Erwägungen heraus berechtigt gehandelt, die Klägerin habe die hieraus erwachsenen Kosten zu erstatten gehabt. Jedenfalls habe die Klägerin die Transportfirma mit der Lieferung des Radladers auf das Gelände der Fa. S. beauftragt. Die Transportfirma stehe daher im Rechtskreis der Klägerin. Bei dem Radlader habe es sich um ein zulassungspflichtiges und versicherungspflichtiges Fahrzeug gehandelt. Die Klägerin habe dieses Gefährt im Straßenverkehr bewegt und zwar ohne Zulassung und ohne Versicherung. Sie sei Halterin des Fahrzeugs gewesen. Es handle sich um einen zivilrechtlichen Schadensersatzvorgang, der aus Anlass und im Zusammenhang mit einem Verkehrsunfall zu begleichen sei. Insoweit bestünden auch Bedenken gegen den gewählten Rechtsweg, da wohl der Zivilrechtsweg einschlägig sei. Bei der durch die Klägerin veranlassten Zahlung an den Beklagten handle es sich jedenfalls nicht um eine rechtsgrundlose Vermögensverschiebung. Tatsächlich habe die konkrete Maßnahme vor Ort ihren Ursprung in der Veranlassung der Polizei, die Hilfskräfte hinzugezogen habe, um den Schaden einzudämmen bzw. zu beseitigen. Das wäre aber Aufgabe der Klägerin gewesen. Das Schreiben der Gemeinde vom 21. September 2012 sei eine zivilrechtliche Kostenzusammenstellung, die zwar auf einen Störungsvorgang Bezug nehme, jedoch keine rechtliche Qualifikation im Sinne eines Verwaltungsaktes berge.
Der Beklagte verwies weiter auf ein in der Streitsache zwischenzeitlich ergangenes (nicht rechtskräftiges) Urteil des Landgerichts Würzburg vom 3. September 2014 (Bl. 173 VGH-Akte), wonach auch die Klägerin als Gesamtschuldnerin zur Haftung für die Schäden des Eigentümers der ölverschmutzten privaten Hofeinfahrt verurteilt worden sei. Nach diesem Urteil sei (auch) die Klägerin Verursacherin des Schadens. Sie hafte nach § 831 BGB für das Verhalten der von ihr beauftragten Spedition. Die von der Klägerseite geschilderten komplizierten zivilrechtlichen Rechtsverhältnisse seien für das vorliegende Verfahren irrelevant, die Klägerin sei jedenfalls als Störerin heranzuziehen. Es handle sich um einen gravierenden Umweltschaden, der von der Klägerin zu ersetzen sei.
Auf Frage des Senats, wer genau und in welcher Eigenschaft die Aufträge an die rechnungstellenden Unternehmen erteilt hatte, übersandte der Bevollmächtigte des Beklagten mit Schriftsatz vom 14. Juli 2015 eine Stellungnahme des Bürgermeisters der Beklagten sowie eine Stellungnahme des zum Schadenszeitpunkt amtierenden vormaligen Bürgermeisters. Der Auftrag an die Firma Sch. sei aus Gefahrenabwehrgründen durch die am Schadensort anwesende Polizei direkt erfolgt. Der Bauhof und der Einsatz der gemeindlichen Kehrmaschine sei auf Anforderung und Weisung des Bürgermeisteramtes des Beklagten erfolgt. Der Beklagte gehöre zum Abwasserversorgungsverbund Wertheim. Wegen der Gefahr des Eindringens des Öls in die Kanalisation und ins Grundwasser seien die notwendigen Arbeiten mit der ABW Wertheim abgestimmt und beauftragt worden. In der Stellungnahme des derzeitigen Bürgermeisters vom 7. Juli 2015 wird ausgeführt, dass Herr F. (ABW) zum Ölunfall telefonisch hinzugezogen worden sei und den Auftrag erhalten habe, alles zu unternehmen, damit das ausgelaufene Öl des Radladers nicht in die Kanalisation und damit in die Kläranlage gelange. Zur Verwaltungspauschale sei auszuführen, dass dann, wenn gemeindliches Eigentum beschädigt werde, grundsätzlich die Reparaturkosten als Schadensersatz vom Verursacher verlangt würden. Dabei werde immer auch eine Unkostenpauschale von 50 Euro verlangt.
Der frühere (zum Schadenszeitpunkt amtierende) Bürgermeister des Beklagten äußerte sich mit Stellungnahme vom 6. Juli 2015. Der Auftrag an die Firma Sch. sei „über die Polizei“ erfolgt. Der Bauhof und der Einsatz der gemeindlichen Kehrmaschine sei von ihm als Bürgermeister beauftragt worden. Die ABW Wertheim (Herr F.) sei von ihm als Bürgermeister verständigt und beauftragt worden, notwendige Maßnahmen zu veranlassen.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichts- und Behördenunterlagen verwiesen.
Gründe
Die zulässige Berufung der Klägerin hat Erfolg. Sie kann vom Beklagten die Rückzahlung der 5.304,67 Euro verlangen, weil der Beklagte jedenfalls derzeit keinen Anspruch gegenüber der Klägerin auf Erhalt dieser Geldsumme hat. Entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts liegt auch kein Leistungsverwaltungsakt vor, der aufgrund seiner Bestandskraft einen Rechtsgrund für das Behaltendürfen der genannten Geldsumme darstellen würde. Der Beklagte war daher auf Rückzahlung zu verurteilen.
Der Einwand des Bevollmächtigten des Beklagten, die Forderung des Beklagten sei privatrechtlich gewesen, es bestünden daher Zweifel an der Zulässigkeit des Rechtswegs zu den Verwaltungsgerichten, ist unbehelflich. Gemäß § 17a Abs. 5 GVG prüft ein Rechtsmittelgericht nicht mehr, ob der beschrittene Rechtsweg zulässig ist, wenn das Vorgericht bereits in der Hauptsache entschieden hat. Eine ausdrückliche Rechtswegrüge i.S.v. § 17a Abs. 3 GVG ist in der ersten Instanz nicht erfolgt. Das Berufungsgericht hat daher die Streitsache unter allen in Betracht kommenden Gesichtspunkten zu prüfen und zu entscheiden. Eine Verweisung des Rechtsstreits kommt nicht mehr in Betracht.
1. Das Verwaltungsgericht hat in seiner Entscheidung richtigerweise dargestellt, dass auch im öffentlichen Recht rechtsgrundlose Vermögensverschiebungen auszugleichen sind. Insoweit kann auf die Ausführungen des Verwaltungsgerichts (S. 6 u.a.) verwiesen werden.
2. Entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts ist das Schreiben des Beklagten vom 21. September 2012 nicht als Verwaltungsakt i.S.v. Art. 35 BayVwVfG anzusehen. Die Frage, ob ein behördliches Schreiben als Verwaltungsakt zu qualifizieren ist, ist nach Maßgabe eines objektiven Empfängerhorizonts unter Berücksichtigung von Treu und Glauben zu beurteilen (vgl. BVerwG, U.v. 26.6.1987 – 8 C 21/86 – juris Rn. 8 m.w.N.; VGH BW, U.v. 15.10.2009 – 2 S 1457/09 – juris Rn. 31 ff.). Die Auslegung der „Rechnung“ des Beklagten vom 21. September 2012 nach Maßgabe eines objektiven Empfängerhorizonts ergibt bereits, dass eine für den Bürger verbindliche behördliche Regelung nicht vorliegt und das Schreiben damit nicht als Verwaltungsakt zu qualifizieren ist. Im Rahmen einer Gesamtwürdigung als Grundlage der Auslegung stellt der Senat dabei darauf ab, dass in dem Schreiben keinerlei öffentlich-rechtliche Rechtsgrundlage für das Verlangen des Beklagten nach Bezahlung einer bestimmten Geldsumme angegeben ist. Das Schreiben ist mit dem fettgedruckten Wort „Rechnung“ überschrieben. Im Eingangsabsatz dieser Rechnung stellt der Beklagte dar, dass er sich „um die Beseitigung der Schaden gekümmert“ habe. Aus einem solchen Satz muss ein Empfänger den Schluss ziehen, dass er zu einem Schadensersatz und gerade nicht zu einem öffentlich-rechtlichen Aufwendungsersatz aufgrund eines „hoheitlichen“ Leistungsgrundes herangezogen wird. Die Klägerin wird „als Verursacher“ zur Beseitigung von Schäden herangezogen, nicht jedoch zu einem Aufwendungsersatz aufgrund von öffentlich-rechtlichen Kostenerstattungsnormen. Diese aus Empfängersicht naheliegende Schlussfolgerung wird noch dadurch verstärkt, dass der Beklagte in dem genannten Schreiben noch auf später zu erlassende separate öffentlich-rechtliche Kostenbescheide verweist. Das Schreiben vom 21. September 2012 erhält zudem keine Rechtsmittelbelehrung, was wiederum als Indiz für ein rein zivilrechtliches Vorgehen des Beklagten spricht. Dass der Beklagte im Kopf des Schreibens als Absender genannt ist, hat entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts keine Bedeutung im Rahmen der Auslegung, weil auch Gemeinden selbstverständlich Schadensersatzansprüche auf zivilrechtlichem Weg geltend machen können. Dass in dem Schreiben eher unauffällig von einem „Aktenzeichen“ die Rede ist, kann dem Schreiben für sich genommen ebenfalls nicht die Qualität eines Verwaltungsaktes verleihen. Auch privatrechtlich tätige Personen (etwa Rechtsanwälte und Steuerberater) verwenden Aktenzeichen, ohne dass dadurch ihre Forderungen gleich dem öffentlichen Recht zuzuordnen wären. Den äußeren Anschein eines rein zivilrechtlichen Tätigwerdens hat der Beklagte auch noch weiter dadurch verstärkt und bestätigt, dass er selbst sowohl in seiner Mahnung als auch in der Vollstreckungsankündigung seine Forderung jeweils ausdrücklich als „privatrechtlich“ bezeichnet hat. Auch im Verfahren vor dem erkennenden Senat hat der Beklagte die Meinung vertreten, dass das genannte Schreiben eine rein zivilrechtliche Forderungszusammenstellung gewesen sei.
Aus diesem Grund fehlt es an einem bestandskräftigen Verwaltungsakt, der einen Rechtsgrund für das Behaltendürfen der vom Beklagten vereinnahmten Geldleistung darstellen könnte. Auch der mittlerweile erlassene Feuerwehreinsatzkostenbescheid kann nicht als Rechtsgrund dienen, weil er mit Widersprüchen der Klägerin angegriffen ist und derartige Widersprüche aufschiebende Wirkung zur Folge haben (vgl. BayVGH, B.v. 18.8.2011 – 4 CS 11.504 – juris).
Andere Verwaltungsakte zur Kostenerstattung hat der Beklagte – in seiner Eigenschaft als Sicherheitsbehörde – nicht erlassen.
3. Zivilrechtliche Ansprüche des Beklagten gegen die Klägerin sind nicht ersichtlich.
a) Vertragliche Ansprüche scheiden aus, weil es an einem vertraglichen Verhältnis zwischen der Klägerin und dem Beklagten fehlt. Für die Geltendmachung deliktischer Schadensersatzansprüche, etwa aus § 823 Abs. 1 BGB, müsste eine schuldhafte Handlung vorliegen, durch die ein Rechtsgut des Beklagten (etwa das Eigentum an der Straße) beschädigt worden ist. Eine solche schuldhafte Handlung der Klägerin als Verkäuferin des Radladers ist für den Senat vorliegend nicht erkennbar. Die Klägerin hat als Verkäuferin den Radlader durch eine speziell hierzu beauftragte Transportfirma an ihre Käuferin liefern wollen. Davon, dass sich die Käuferin des Fahrzeugs noch auf dem Transportweg des gekauften Radladers bemächtigte, diesen in Besitz nahm und auf öffentlichem Straßengrund bewegte, hatte die Klägerin keine Kenntnis. Die Überlegung des Bevollmächtigten des Beklagten, dass ja schließlich die von der Klägerin beauftragte Transportfirma „im Rechtskreis“ der Klägerin stehe, hilft im Deliktsrecht nicht weiter. Ob ein etwaiges Fehlverhalten dieser Transportfirma (etwa durch auftragswidriges Abladen der gelieferten Sache und Gestattung des Losfahrens mit dem Radlader auf öffentlichem Straßengrund) der Klägerin zuzurechnen wäre, bestimmt sich nach § 831 BGB. Danach ist der, der einen anderen zu einer Verrichtung bestellt, zum Ersatz eines Schadens verpflichtet, den der andere in Ausführung der Verrichtung einem Dritten widerrechtlich zufügt. Eine selbständige beauftragte Firma ist jedoch kein Verrichtungsgehilfe i.S.v. § 831 Abs. 1 BGB, weil es an einer Abhängigkeit und Weisungsgebundenheit fehlt (vgl. Wagner in Münchner Kommentar zum BGB, 6. Aufl. 2013, § 831 Rn. 16). Insoweit könnte der Beklagte lediglich auf ein Auswahlverschulden der Klägerin bei der Auswahl der Transportfirma abstellen, wofür aber jeglicher Sachvortrag und auch jegliche Anhaltspunkte fehlen. Für ein etwaiges eigenes schädigendes Verhalten der Transportfirma müsste jedenfalls die beauftragende Klägerin nicht nach zivilrechtlichen Schadensersatzgrundsätzen haften.
b) Auch § 7 Abs. 1 StVG kann vorliegend keine Anspruchsgrundlage des Beklagten gegen die Klägerin sein. Nach dieser Vorschrift ist der Halter eines Fahrzeugs verpflichtet, dem Verletzten den daraus entstehenden Schaden zu ersetzen, der bei dem Betrieb eines Kraftfahrzeugs entstanden ist. Unabhängig von der auch im anhängigen Zivilprozess noch nicht abschließend geklärten Frage, ob der Radlader zum Schadenszeitpunkt überhaupt in der Lage war, auf ebener Bahn mit einer höheren Geschwindigkeit als 20 km in der Stunde zu fahren (vgl. § 8 Nr. 1 StVG), fehlt es vorliegend jedenfalls an der Haltereigenschaft der Klägerin. Halter eines Kraftfahrzeugs ist derjenige, der ein Kraftfahrzeug im eigenen Namen nicht nur ganz vorübergehend für eigene Rechnung in Gebrauch hat und der die Verfügungsgewalt über das Kraftfahrzeug ausübt. Dabei ist die Frage, auf wen das Fahrzeug zugelassen und haftpflichtversichert ist, von untergeordneter Bedeutung, ebenso die Eigentumslage. Beim Verkauf eines Kraftfahrzeugs wird der Erwerber mit der Übergabe Halter. Dies gilt auch, wenn für das Kraftfahrzeug ein Eigentumsvorbehalt etwa des Verkäufers weiter besteht. (vgl. Bormann/Heß/Jahnke/Janker, Straßenverkehrsrecht, 23. Aufl. 2014, § 7 StVG Rn. 5 m.w.N.). Im vorliegenden Fall hat die Klägerin den Radlader bei dessen Fahrt durch die Ortschaft nicht „für eigene Rechnung in Gebrauch gehabt“. Die Klägerin wollte lediglich ein verkauftes Fahrzeug als Transportgut ohne eigene Bewegung im öffentlichen Verkehrsraum an die Käuferin liefern. Dabei sollte das Fahrzeug - schon gar nicht „auf Rechnung“ der Klägerin – nicht auf öffentlichem Straßengrund in Betrieb genommen und fortbewegt werden. Wenn im vorliegenden Fall überhaupt jemand das Fahrzeug im eigenen Namen und für eigene Rechnung in Gebrauch genommen hat, so war dies die Käuferin des Fahrzeugs, die wohl einem Mitarbeiter gestattete, das Fahrzeug vom Tieflader herunter und danach durch den Ort und in den Steinbruch zu fahren, und sich durch diese Handlungen den Besitz und die Verfügungsgewalt an dem Fahrzeug verschaffte. Die Klägerin als bloße Verkäuferin kann bei einem solchen Sachverhalt nicht als Halterin angesehen werden.
c) Andere Anspruchsgrundlagen für einen Anspruch des Beklagten gegen die Klägerin sind im vorliegenden Fall nicht ersichtlich. Dies gilt auch für Ansprüche aus Geschäftsführung ohne Auftrag, weil es sich bei der Schadensbeseitigung nach dem eben Ausgeführten jedenfalls nicht um ein „Geschäft“ der Klägerin gehandelt hat (unabhängig von der weiteren Frage, ob Ansprüche aus Geschäftsführung ohne Auftrag neben den einer Sicherheitsbehörde zustehenden öffentlich-rechtlichen Kostenerstattungsansprüchen überhaupt bestehen können).
4. Ohne dass es für den vorliegenden Rechtsstreit noch darauf ankäme, merkt der Senat wegen des vom Beklagten bereits erlassenen Feuerwehreinsatzkostenbescheides an, dass sich der Beklagte bisher nicht mit der Tatsache auseinandergesetzt hat, dass die Klägerin weder Eigentümerin noch Halterin des Radladers war. Auch dürften Feuerwehreinsatzkosten nur für solche Aufwendungen Dritter verlangt werden können, die die Feuerwehr tatsächlich selbst beauftragt hat.
Der Beklagte hat als in einem Schadensfall neben der Feuerwehr handelnde Sicherheitsbehörde durchaus die Möglichkeit, für sein Handeln nach dem LStVG nach allgemeinem Kostenrecht Kostenerstattung von einem Störer zu fordern. Dies muss er dann aber durch Verwaltungsakt mit einem Kostenentscheid tun und dabei auch eine entsprechend begründete Störerauswahl vornehmen. Dabei wird er zu berücksichtigen haben, dass er Aufwendungen der Polizei nicht geltend machen kann, denn die Polizei muss von ihr selbst veranlasste Aufwendungen auch selbst nach Art. 9 Abs. 2 PAG i.V.m. § 1 PolKV als Auslagen aufgrund vertraglicher Beauftragung Dritter durch Bescheid geltend machen. Der Beklagte wird daher genau zu prüfen haben, welche Aufwendungen er tatsächlich selbst beauftragt hat.
Ein Kostenersatz nach Art. 16 BayStrWG kommt gegenüber der Klägerin wohl schon deswegen nicht in Betracht, weil die Klägerin das schadensauslösende Fahrzeug nicht selbst im Straßenraum bewegt und damit nicht am Gemeingebrauch der öffentlichen Gemeindestraße teilgenommen hat. Ein derartiger Anspruch wäre im Übrigen auch auf die Reinigungskosten bezüglich der öffentlichen Straße beschränkt.
5. Die Klägerin hat daher einen Anspruch auf Rückzahlung des von ihr ohne Rechtsgrund an den Beklagten gezahlten Geldbetrags. Der Beklagte war antragsgemäß unter Aufhebung des verwaltungsgerichtlichen Urteils zur Rückzahlung zu verpflichten. Der Ausspruch zur Bezahlung der Prozesszinsen ergibt sich aus analoger Anwendung des § 291 BGB i.V.m. § 288 Abs. 1 Satz 2 BGB (vgl. Rennert in Eyermann, VwGO, 14. Aufl. 2014, § 90 Rn. 14).
6. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 1 VwGO; der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit des Urteils ergibt sich aus § 708 i.V.m. § 711 ZPO.
Die Revision war nicht zuzulassen, weil kein Zulassungsgrund i.S.v. § 132 VwGO vorliegt.
Beschluss
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 5.304,67 Euro festgesetzt (§§ 47 Abs. 1, 52 Abs. 3 GKG).