ArbG Düsseldorf, Urteil vom 11.05.2018 - 14 Ca 6504/17
Anwendungsfall zum Tätigkeitsmerkmal "mindestens zu einem Fünftel selbständige Leistungen " i.Sd. Entgeltgruppe 7 TVöD-V, das im Streitfall verneint wurde.
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.2. Der Kläger trägt die Kosten des Rechtsstreits.3. Der Streitwert beträgt 3.789,72 €.4. Die Berufung wird - soweit sie nicht ohnehin zulässig ist - nicht gesondert zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten um die Eingruppierung des Klägers nach dem TVöD.
Der Kläger ist seit dem 1. Juni 2001 bei der Beklagten als Angestellter im Allgemeinen Verwaltungsdienst beschäftigt.
Gemäß § 2 des Arbeitsvertrages vom 02.06.2008 (Anlage K 1, Blatt 6 der Akte) bestimmt sich das Arbeitsverhältnis nach dem BAT und den diesen ergänzenden, ändernden oder ersetzenden Tarifverträgen in der für den Bereich der Vereinigung der kommunalen Arbeitgeberverbände (VKA) jeweils geltenden Fassung.
Zunächst war der Kläger in die Vergütungsgruppe VIII und seit dem 1. Juni 2002 in die Vergütungsgruppe VII des BAT eingruppiert (Anl. K7, Bl. 7 der Akte). Zum 1. Dezember 2002 erfolgte seine Eingruppierung in die BAT Vergütungsgruppe VI b (Anl. K3, Bl. 8 der Akte). Dieser schnelle Bewährungsaufstieg basierte auf einer übertariflichen Düsseldorfer Regelung, die die Beklagte mit ihrem Personalrat vereinbart hatte. Mit Überleitung in den TVöD zum 1. Oktober 2005 wurde der Kläger in die Entgeltgruppe 6 TVöD-VKA übergeleitet. Seither wird er entsprechend der Entgeltgruppe 6 vergütet.
Der Kläger ist im Außendienst in der Verkehrsüberwachung tätig. Die Stellenbeschreibung gibt zu 92 % folgende Aufgaben an:
"Überwachung der Einhaltung und Ahndung von Verstößen hinsichtlich straßenverkehrsrechtlicher Vorschriften sowie Gefahrenabwehr im ruhenden Verkehr einschließlich der Veranlassung von Abschleppmaßnahmen
(im Wesentlichen: Dokumentation und weitere Veranlassung des festgestellten Verstoßes, Auseinandersetzung mit Verkehrsteilnehmern vor Ort, Erteilung von Auskünften sowie mündlichen Verwarnungen, Entgegennahme, Dokumentation und Abrechnung von Verwarnungsgeldern, Feststellung und Dokumentation von Tatbeständen für das Abschlepperfordernis einschließlich Anforderung des Abschleppdienstes, Dokumentation bestehender Schäden des Fahrzeugs, gegebenenfalls Ermittlung des verantwortlichen Fahrzeugführers)"
Im Übrigen wird auf Anlage B (Bl. 59 der Akte) Bezug genommen.
Mit Schreiben vom 8. September 2017 beantragte der Kläger bei der Beklagten, ihn rückwirkend mindestens in die EG 7 einzugruppieren (Anl. K5, Bl. 15 ff. der Akte). Die Beklagte lehnte dies mit Schreiben vom 22. September 2007 (Anl. K6, Bl. 17 der Akte) ab. Sie wies unter anderem darauf hin, dass seine Stelle mit Einführung der Entgeltordnung zum 1. Januar 2017 in die Entgeltgruppe 6 eingruppiert sei.
Die Tarifmerkmale der Entgeltgruppe 6 lauten:
Beschäftigte der Entgeltgruppe 5 Fallgruppe 1, deren Tätigkeit gründliche und vielseitige Fachkenntnisse erfordert, sowie
Beschäftigte der Entgeltgruppe 5 Fallgruppe 2, deren Tätigkeit vielseitige Fachkenntnisse erfordert.
(Die gründlichen und vielseitigen Fachkenntnisse brauchen sich nicht auf das gesamte Gebiet der Verwaltung (des Betriebes), bei der die/der Beschäftigte tätig ist, zu beziehen. Der Aufgabenkreis der/des beschäftigten muss aber so gestaltet sein, dass er nur beim Vorhandensein gründlicher und vielseitiger Fachkenntnisse ordnungsgemäß bearbeitet werden kann.)
Die Tarifmerkmale der Entgeltgruppe 7 lauten:
Beschäftigte der Entgeltgruppe 6, deren Tätigkeit mindestens zu einem Fünftel selbstständige Leistungen erfordert.
(Selbstständige Leistungen erfordern ein den vorausgesetzten Fachkenntnissen entsprechendes selbstständiges Erarbeiten eines Ergebnisses unter Entwicklung einer eigenen geistigen Initiative; eine leichte geistige Arbeit kann diese Anforderungen nicht erfüllen.)
Mit seiner am 5. Dezember 2017 bei dem Arbeitsgericht Düsseldorf eingegangenen Klageschrift, der Beklagten am 14. Dezember 2018 zugestellt, verfolgt der Kläger sein Begehren weiter.
Er behauptet, er müsse als Mitarbeiter der Verkehrsüberwachung bei der Ausführung von Streifentätigkeiten eigenständige Entscheidungen von erheblicher Tragweite treffen. Dies macht er an zehn Fallbeispielen deutlich: Abschleppen eines Fahrzeugs, das auf einem Schwerbehindertenparkplatz steht; Verstoß gegen Auflagen der städtischen Umweltzone; Stab für "außergewöhnliche Ereignisse"; Erste-Hilfe-Maßnahmen; Wahrnehmung von Gerichtsterminen als Zeuge; Zwangsanwendung zur Gefahrenabwehr; Einarbeitung neuer Mitarbeiter; mobile Beschilderung bei Umzug; Einziehung gefälschter Dokumente; Maßnahmen bei Personalienverweigerung. Ohne situativ angemessenes Eingreifen, ohne die Entscheidung, die nach der Geschäftsanweisung des Klägers zugewiesenen Befugnisse situativ einzusetzen, und damit jeweils selbstständige Leistung auszuüben, würde der Streifengang erheblich lückenhaft und stelle kein brauchbares Arbeitsergebnis dar. Der Kläger müsse unter rechtlicher Subsumtion einen Sachverhalt einordnen, um dann selbst zu entscheiden, ob weiteres Tätigwerden erforderlich sei. Danach müsse er durch weitere selbstständige Subsumtion auch mit entsprechenden auf den immer auf den Einzelfall bezogenen Verhältnismäßigkeitsprüfungen eine mögliche Sanktionierung oder weitergehende Rechtsfolgen einleiten.
Der Kläger ist der Ansicht, er sei nach § 8 Abs. 1 TVÜ-VKA spätestens zum 1. Oktober 2007 in die Entgeltgruppe 7 einzugruppieren gewesen, weil er am 1. Oktober 2005 bereits die Hälfte der Zeit des Bewährungsaufstiegs für eine Höhergruppierung von der Vergütungsgruppe VI b in die nächst höhere Vergütungsgruppe des BAT erfüllt hätte.
Darüber hinaus sei seine Tätigkeit gekennzeichnet durch "selbständige Leistungen" im Sinne der Tätigkeitbeschreibung für die EG 7.
Der Kläger beantragt,
1. festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, ihn ab dem 1. Januar 2007 in die Vergütungsgruppe EG7 Stufe 5 TVöD Verwaltung (BT-V) einzugruppieren;
2. hilfsweise, die Beklagte zu verpflichten, den Kläger ab Rechtshängigkeit in die EG7 Stufe 5 TVöD Verwaltung (BT-V) einzugruppieren.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Wegen des weiteren Vorbringens wird auf die gewechselten Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen sowie auf die Sitzungsniederschriften Bezug genommen.
Gründe
Die zulässige Klage ist unbegründet.
I.
Der Feststellungsantrag zu 1) ist als Eingruppierungsfeststellungsklage nach § 256 Abs. 1 ZPO zulässig (vgl. BAG, 21.03.2012 - 4 AZR 374/10; BAG, 17.11.2010 - 4 AZR 188/09BAG, 22.04.2009 - 4 AZR 166/08).
II.
Sie ist aber unbegründet.
1. Der Kläger hat keinen Anspruch auf eine Eingruppierung in die EG 7 nach § 8 Abs. 1 TVÜ-VKA.
a) Nach der Besitzstandsregelung in § 8 Abs. 1 TVÜ-VKA erfolgt der Aufstieg für in die EG 3 bis 8 übergeleitete Mitarbeiter zum jeweiligen individuellen Aufstiegszeitpunkt, sofern sie am Stichtag (1. Oktober 2005) die Hälfte der Zeitdauer für einen Aufstieg in die nächsthöhere BAT-VG erfüllt hatten ("50-%-Klausel"; hierzu etwa Beckerle u.a., TVöD - Die Überleitungstarifverträge, 2005, Seite 19 ff.). Nach § 29 a TVÜ-VKA erfolgt die Überleitung in die neue Entgeltverordnung zum 1. Januar 2017 unter Beibehaltung der bisherigen Entgeltgruppe.
b) Zum Zeitpunkt des Inkrafttretens des TVöD war ein Aufstieg des Klägers aus der Vergütungsgruppe VI b in eine höhere Vergütungsgruppe jedoch nicht möglich. Vielmehr erfüllte der Kläger wegen des verkürzten Bewährungsaufstiegs die Tätigkeitsmerkmale der VG VI b Fallgruppe 1b, für die ein Aufstieg in die Vergütungsgruppe V a, b oder c nicht vorgesehen war. Allenfalls Mitarbeitern in der Lohnberechnung war ein solcher Aufstieg möglich, wie Fallgruppen 7a und 7 b der VG V b zeigen. Denn die VG VI b, Fallgruppe 1 b, verlangte gerade auch - anders als die Fallgruppe 1 a - keine selbständigen Leistungen. Letztlich bestätigt dies auch § 8 Abs. 1 Satz 2 HS 2 TVÜ-VKA, der für Mitarbeiter mit ausstehendem Aufstieg zur VG Vc eine Eingruppierung in die EG 8 vorsieht; gerade weil es damals noch keine EG 7 im Bereich der VKA für Angestellte gab (vgl. Beckerle u.a., TVöD - Die Überleitungstarifverträge, 2005, Seite 20 ff., Seite 147 und die Synopse Seite 149).
2. Der Kläger erfüllt auch nicht die Voraussetzungen der EG 7. Seine Tätigkeit zeichnet sich nicht zu 1/5 durch selbständige Leistungen im Tarifsinne aus.
a) Die Tätigkeit des Klägers auf den Streifengängen, welche - dies ist unstreitig zwischen den Parteien - die überwiegende Arbeitszeit des Klägers umfasst, dient einem einheitlichen Arbeitsergebnis, nämlich der Durchsetzung verkehrsrechtlicher Vorschriften und, damit einhergehend, der Ahndung von Verstößen gegen Gebote und Verbote im Straßenverkehr. Der Streifengang erlaubt keine sinnvolle Aufteilung der einzelnen Maßnahmen nach tariflichen Wertigkeiten (vgl. auch BAG, 21.03.2012 - 4 AZR 266/10; BAG, 07.07.2004 - 4 AZR 507/03). Da sich erst während des Streifengangs herausstellt, ob, und gegebenenfalls für welche Sachverhalte Entscheidungsalternativen bestehen, ist es nicht möglich, zu Beginn des Streifengangs die einzelnen Tätigkeiten nach ihrer tariflichen Wertigkeit unterscheiden zu können. Für die Eingruppierung ist jedoch erforderlich, dass bereits zu Beginn der Tätigkeit ihre tarifliche Wertigkeit feststeht (BAG, 07.07.2004 - 4 AZR 507/03; BAG, 18.05.1994 - 4 AZR 461/93; LAG Düsseldorf, 30.11.2015 - 14 Sa 817/15, Rn. 101 ff.).
b) Selbständige Leistungen erfordern nach dem Tarifvertrag ein den vorausgesetzten Fachkenntnissen entsprechendes selbständiges Erarbeiten eines Ergebnisses unter Entwicklung einer eigenen geistigen Initiative; eine leichte geistige Arbeit kann diese Anforderung nicht erfüllen. Das Merkmal "selbständige Leistungen" darf dabei nach der Rechtsprechung des BAG nicht mit dem Begriff "selbständig arbeiten" verwechselt werden, worunter eine Tätigkeit ohne direkte Aufsicht oder Leitung zu verstehen ist (Breier/Dassau, 16. Aktualisierung 6/2017, AI3, Allg. TM Verwaltungsdienst Erl. 4.4.2.1; Hock, Die neue Entgeltverordnung nach TVöD-VKA, 2017, Seite 115). Eine selbständige Leistung im Tarifsinne ist vielmehr nur dann anzunehmen, wenn eine Gedankenarbeit erbracht wird, die im Rahmen der für die Vergütungsgruppe vorausgesetzten Fachkenntnisse hinsichtlich des einzuschlagenden Weges, insbesondere hinsichtlich des zu findenden Ergebnisses, eine eigene Beurteilung und eine eigene Entschließung erfordert. Kennzeichnend für selbständige Leistungen im tariflichen Sinne ist ein wie auch immer gearteter Ermessens-, Entscheidungs-, Gestaltungs- oder Beurteilungsspielraum bei der Erarbeitung eines Arbeitsergebnisses. Es werden Abwägungsprozesse verlangt, in deren Rahmen Anforderungen an das Überlegungsvermögen gestellt werden. Dabei müssen für eine Entscheidung unterschiedliche Informationen verknüpft und untereinander abgewogen werden. Dass diese Abwägungsprozesse bei entsprechender Routine durchaus schnell ablaufen können, steht nicht entgegen (BAG, 21.03.2012 - 4 AZR 266/10, Rn. 42 ff. m. w. Nachw.; BAG, 22.04.2009 - 4 AZR 166/08). Zum Erfüllen der tariflichen Anforderungen ist es ausreichend, wenn selbständige Leistungen innerhalb des Arbeitsvorgangs in rechtlich erheblichem Ausmaß vorliegen. Dabei kann es dahinstehen, ob und ggf. wo genau eine quantitative Grenze für den unbestimmten Rechtsbegriff des rechtserheblichen Ausmaßes zu ziehen wäre. Denn jedenfalls sind selbständige Leistungen dann in rechtserheblichem Ausmaß erforderlich, wenn ohne sie ein sinnvoll verwertbares Arbeitsergebnis nicht erzielt werden könnte (BAG, 21.03.2012 - 4 AZR 266/10, Rn. 42 ff.). Dort, wo der "richtige Weg" mehr oder weniger bis in alle Einzelheiten durch bindende Vorschriften vorgezeichnet ist, bleibt jedoch kein Raum für "selbständige Leistungen" (Breier/Dassau, 16. Aktualisierung 6/2017, AI3, Allg. TM Verwaltungsdienst Erl. 4.4.2.2.; Hock, Die neue Entgeltverordnung nach TVöD-VKA, 2017, Seite 117).
c) Gemessen hieran ist das Tatbestandsmerkmal "selbständige Leistungen" während der klägerischen Tätigkeit nicht in rechtserheblichem Ausmaß erfüllt.
aa) Der Kläger muss seine vielseitigen Fachkenntnisse selbstverständlich ordnungsgemäß und richtig anwenden. Von ihm wird verlangt, dass er genau und sorgfältig arbeitet. Der Kläger erarbeitet jedoch nicht unter Entwicklung einer eigenen geistigen Initiative ein Arbeitsergebnis selbständig. Zwar muss er schon in gewisser Weise initiativ werden. Das insoweit gegebene Tätigwerden geht jedoch nicht über eine lediglich leichte geistige Arbeit hinaus. Diese Wertung trifft aus Sicht der Kammer für alle Vorgänge und Einzeltätigkeiten des Klägers zu, bei denen er selbst selbständige Tätigkeiten erkannt haben will. Im Einzelnen:
(1) Wenn der Kläger meint, er habe einen Entscheidungsspielraum beim Treffen der Abschleppmaßnahmen im Fall eines zu Unrecht auf einem Schwerbehindertenparkplatz stehenden Pkw, so teilt die Kammer seine Ansicht nicht. Bereits aus dem klägerischen Vortrag ergibt sich nicht, vor welchen Verhaltensalternativen er in einem solchen Fall steht. Vielmehr schränkt § 12 Abs. 3 Nr. 2 StVO das Ermessen dahingehend ein, dass ein Abschleppen zu erfolgen hat. Ein Ermessen hinsichtlich der Umsetzung des Abschleppens ist weder dargetan noch ersichtlich. Auch ein Abwägungsprozess ist nicht erkennbar.
(2) Auch wenn der Kläger der Ansicht ist, die Erteilung einer Verwarnung bei Verstößen gegen Auflagen der städtischen Umweltzone gebe ihm einen selbständigen Entscheidungsspielraum, kann die Kammer dem nicht folgen. Erneut lässt der Kläger jeden Vortrag dazu vermissen, inwiefern er hier vor Entscheidungsalternativen zur auszusprechenden Verwarnung stehe. Die Kammer erkennt auch hierin eine reine "wenndann-Entscheidung" nach Maßgabe der Verordnung über die Erteilung einer Verwarnung, Regelsätze für Geldbußen und die Anordnung eines Fahrverbotes wegen Ordnungswidrigkeiten im Straßenverkehr (Bußgeldkatalog-Verordnung - BKatV) i.V.m. Anlage 2 StVO, Zeichen 270.1, lfd. Nr. 44).
(3) Gleiches gilt im Ergebnis für das vom Kläger erwähnte Tätigwerden im Rahmen des Stabs für "außergewöhnliche Ereignisse". Inwiefern ihm etwa bei einem behördlich angeordneten Evakuierungssicherheitsring ein Ermessen zusteht, erklärt der Kläger nicht. Der Kläger hat allein das Einhalten der nach § 45 StVO angeordneten Sperrmaßnahmen zu kontrollieren, nicht aber die Sperrmaßnahme selbst anzuordnen.
(4) Sofern der Kläger, wenn er zufällig während seiner Tätigkeit Zeuge eines Verkehrsunfalls wird, Erste-Hilfe-Maßnahmen leistet, eine Mitteilung an die Leistelle abgibt und der Polizei als Zeuge zur Verfügung steht, kann die Kammer auch hierin kein selbständiges Erarbeiten eines Ergebnisses unter Entwicklung einer eigenen geistigen Initiative erkennen, die über eine leichte geistige Arbeit hinausgeht. Auch ein erheblicher Ermessensspielraum ist nicht erkennbar. Zudem ist nicht ersichtlich, dass eine solche Situation häufig, regelmäßig oder typischerweise anfiele. Darüber hinaus leistet der Kläger diese Tätigkeit nicht ausschließlich und originär im Rahmen seiner beruflichen Tätigkeit für die Beklagte, sondern wäre dazu auch als Bürger - unabhängig von seinem Beruf - verpflichtet.
(5) Inwiefern die Aussage als Zeuge vor Gericht eine "selbständige Leistung" darstellen kann, ist für die Kammer nicht nachvollziehbar. Gerade die Wahrheitspflicht des Zeugen, der allein zu einem Sachverhalt, nicht aber zu einer juristischen Einschätzung oder Bewertung gehört wird, widerspricht jeglichem Ermessens-, Beurteilungs- und Entscheidungsspielraum.
(6) Sofern der Kläger eine stark alkoholisierte Person, die laut schimpft und handgreiflich wird, in Polizeigriff nimmt, erklärt er selbst, sich insofern in einer alternativlosen Situation zu befinden, die ihm keine Entscheidungsmöglichkeiten eröffnet. Selbständiges Arbeiten mag dies darstellen, selbständige Leistungen im Tarifsinne jedoch nicht. Zumal sich auch diese Situation weder häufig noch regelmäßig ereignet.
(7) Inwiefern die Einarbeitung und Schulung von Mitarbeitern eine eigene Beurteilung und eine eigene Entschließung erfordert, kann die Kammer aus dem klägerischen Vortrag nicht erkennen. Vielmehr handelt es sich dabei um die Weitergabe von Fachkenntnissen und Erfahrungswerten.
(8) Zum Abschleppen bei verkehrswidrig parkenden Fahrzeugen unter Verstoß gegen eine mobile Beschilderung wegen Umzugs gilt das oben zum Abschleppen von auf Schwerbehindertenparkplätzen stehenden Pkw Ausgeführte entsprechend.
(9) Das Einziehen gefälschter Dokumente bietet ebenso wenig einen Entscheidungsspielraum. Auch der Kläger trägt hierzu nicht vor.
(10) Gleiches gilt für die Anzeige einer Personalienverweigerung. Raum zur Entwicklung eigener geistiger Initiative bleibt auch hier nicht.
(11) Berücksichtigt man das vom Kläger geschuldete Arbeitsergebnis in der Gesamtschau, dann steht ihm bei der Ausführung seiner Tätigkeit ein irgendwie gearteter Beurteilungs- oder Ermessensspielraum nennenswerter Art nicht zu. Jedenfalls ist dieser Spielraum nicht so gestaltet, dass er nicht durch eine leichte geistige Arbeit ausgefüllt werden könnte. Anderes hat der Kläger nicht schlüssig dargelegt.
bb) Anders etwa als die Mitarbeiter des Düsseldorfer OSD (Ordnungs- und Servicedienst; vgl. hierzu etwa BAG, 05.07.2017 - 4 AZR 866/15) hat der Kläger nicht die Aufgabe, Emmissionsbelästigungen (Lärm-, Geruchs-, Lichtbelästigung) zu überprüfen. Auch Jugendschutzkontrollen, die Überprüfung von Schulpflichtverletzungen, Schulzuführungen (ohne Widerstand), Gewerbekontrollen, Gaststättenkontrollen, Sondernutzungskontrollen, Überprüfungen nach dem Landeshundegesetz NRW und dem Tierschutzgesetz, nach dem Nichtraucherschutzgesetz und dem PsychKG (ohne Widerstand) fallen nicht in seine Tätigkeit. Er erledigt auch - anders als die Mitarbeiter des OSD - keine Vorführungen (ohne Widerstand), Maßnahmen nach dem OWiG allgemein, RTW-Anforderungen für hilflose Personen, überwacht nicht die Stadtsauberkeit (Ortshygiene), kontrolliert keine Taxen, überprüft keine Personen an Brennpunkten und erteilt keine allgemeinen Platzverweise (ohne Widerstand). Ebenso wie die Mitarbeiter des OSD hat der Kläger zwar auch eine tatsächliche Situation unter eine rechtliche Norm zu subsumieren. Anders als die Mitarbeiter des OSD steht er sodann aber nicht vor erheblichen Entscheidungsalternativen.
cc) Auch von den Mitarbeitern des BOD in Hamburg (vgl. dazu etwa BAG, 21.03.2012 - 4 AZR 266/10) unterscheidet sich die klägerische Tätigkeit, weil er - anders als die Hamburger Kollegen - nicht Anzeigen und Meldungen annimmt, Anzeigen fertigt bei als störend empfundenen Verhaltensweisen wie die Verunreinigung öffentlicher Wege und Plätze, z. B. durch unerlaubte Müllablagerung, abgestellte Fahrzeugwracks und Hundekot, die Nichtbeachtung von Verboten in der Verordnung zum Schutz der öffentlichen Grün- und Erholungsanlagen, z. B. durch frei laufen lassen von Hunden, Lärmerzeugung mit Radios, wildes Zelten, das Abpflücken von Pflanzen, das Niederlassen zum Alkoholverzehr unter störenden Begleitumständen wie Pöbeln und Urinieren; aggressives Betteln, störendes Verhalten im Umfeld von größeren Veranstaltungen, Besprühen/Bemalen von öffentlichen Gebäuden mit Graffiti, Beschädigung von Bänken und/oder anderen Sachen im öffentlichen oder öffentlich zugänglichen privaten Raum (Vandalismus). Auch übernimmt er nicht die Halterermittlung, Auflagenüberprüfung und Maßnahmen zur Gefahrenabwehr in Zusammenarbeit mit polizeilichen und bezirklichen Dienststellen nach dem Hundegesetz und anderen gesetzlichen Grundlagen und auch keine Maßnahmen zur Seuchenprävention, spricht keine Unterlassungsverfügungen aus, stellt keine Gegenstände sicher, spricht keine Platzverweise aus und setzt sie auch nicht durch und birgt keine Tiere. Auch hier gilt: Ebenso wie die Mitarbeiter des BOD hat der Kläger zwar eine tatsächliche Situation unter eine rechtliche Norm zu subsumieren. Anders als die Mitarbeiter des BOD steht er sodann aber nicht vor Entscheidungsalternativen. Sein Tätigkeitsfeld ist zudem sehr viel enger umgrenzt und auf die Verkehrsüberwachung konzentriert.
dd) Die klägerische Tätigkeit ist eher mit der von Angestellten in der polizeilichen Verkehrsüberwachung vergleichbar, für die das BAG ebenfalls "selbständige Leistungen" ablehnt (14.12.2005 - 4 AZR 560/04), ebenso wie für die mit der klägerischen Tätigkeit vergleichbaren Aufgaben der Politessen in der Verkehrsunfallaufnahme (10.12.1997 - 4 AZR 350/96) und den Ermittlungsdienst im Ordnungsamt (LAG Hamm, 17.01.2001 - 18 Sa 1411/00; für weitere Beispiele, in denen die Rechtsprechung die "selbständige Leistungen" verneint: Breier/Dassau, 16. Aktualisierung 6/2017, AI3, Allg. TM Verwaltungsdienst Erl. 4.4.5.2. sowie Hock, Die neue Entgeltverordnung nach TVöD-VKA, 2017, Seite 120). Denn die klägerische Tätigkeit zeichnet sich - wie dargelegt - durch vielfältige "wenndann-Entscheidungen" im Bereich der Verkehrsüberwachung aus, die zwar Fachkenntnisse erfordern, nicht aber über eine leichte geistige Arbeit hinausgehen.
ee) Die Stellenbeschreibung bestätigt diesen Befund; auffällig oft erwähnt sie die "Dokumentation" als eine der Hauptpflichten des Klägers. Wenn es dort heißt, dass sich die wesentlichen Aufgaben des Klägers auf die Dokumentation und weitere Veranlassung des festgestellten Verstoßes konzentrieren, die Auseinandersetzung mit Verkehrsteilnehmern vor Ort, die Erteilung von Auskünften sowie mündlichen Verwarnungen, die Entgegennahme, Dokumentation und Abrechnung von Verwarnungsgeldern, die Feststellung und Dokumentation von Tatbeständen für das Abschlepperfordernis einschließlich Anforderung des Abschleppdienstes, die Dokumentation bestehender Schäden des Fahrzeugs und gegebenenfalls die Ermittlung des verantwortlichen Fahrzeugführers, so lässt keine dieser Tätigkeiten einen Entscheidungs- oder Beurteilungsspielraum erkennen, der unter Anwendung von Fachkenntnissen über "wenndann-Entscheidungen" und damit eine leichte geistige Arbeit hinausgeht.
ff) Gleiches gilt für den vom Kläger zur Akte gereichten "fiktiven Tagesablauf" (Anlage K 8, Blatt 19 der Akte), der im Wesentlichen die zehn Fallbeispiele beinhaltet, auf die der Kläger sich beruft. Auch hierin legt der Kläger keine Situationen dar, in denen er vor Entscheidungsalternativen gestellt wird oder Beurteilungsspielräume hat.
3. Auch der Hilfsantrag war daher erfolglos.
4. Ein Schriftsatznachlass war dem Kläger nicht zu gewähren.
Der Schriftsatz der Beklagten vom 8. Mai 2018 enthielt lediglich Rechtsausführungen und keinen neuen Tatsachenvortrag, auf dem diese Entscheidung fußt.
Auch nach ausführlicher Erörterung der Sach- und Rechtslage aus Sicht der Kammer in der mündlichen Verhandlung hat der Kläger keine Anhaltspunkte dafür gegeben, dass er zu den - aus Sicht der Kammer fehlenden - Beurteilungs- und Ermessensspielräumen würde mehr vortragen können. In seiner Einlassung wiederholte er vielmehr sein bisheriges schriftsätzliches Vorbringen. Er hat auch nicht beantragt, zu den Hinweisen der Kammer schriftsätzlich Stellung nehmen zu wollen.
III.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO.
IV.
Den Streitwert hat die Kammer gemäß § 61 Abs. 1 ArbGG i. V. m. §§ 3, 5, 9 Satz 1 ZPO im Urteil festgesetzt. Er entspricht dem 42-fachen monatlichen Differenzwert zwischen der Vergütung der Entgeltgruppe 6 im Vergleich zur Entgeltgruppe 7.
V.
Da kein in § 64 Abs. 3 ArbGG genannter Fall vorlag, musste die Berufung im Urteil nicht gesondert zugelassen werden.
RECHTSMITTELBELEHRUNG
Gegen dieses Urteil kann von der klagenden Partei Berufung eingelegt werden. Für die beklagte Partei ist gegen dieses Urteil kein Rechtsmittel gegeben.
Die Berufung muss innerhalb einer Notfrist* von einem Monat schriftlich oder in elektronischer Form beim
M.
Fax: 0211 7770-2199
eingegangen sein.
Die elektronische Form wird durch ein elektronisches Dokument gewahrt. Das elektronische Dokument muss für die Bearbeitung durch das Gericht geeignet und mit einer qualifizierten elektronischen Signatur der verantwortenden Person versehen sein oder von der verantwortenden Person signiert und auf einem sicheren Übermittlungsweg gemäß § 46c ArbGG nach näherer Maßgabe der Verordnung über die technischen Rahmenbedingungen des elektronischen Rechtsverkehrs und über das besondere elektronische Behördenpostfach (ERVV) v. 24. November 2017 in der jeweils geltenden Fassung eingereicht werden. Nähere Hinweise zum elektronischen Rechtsverkehr finden Sie auf der Internetseite www.justiz.de
Die Notfrist beginnt mit der Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens mit Ablauf von fünf Monaten nach dessen Verkündung.
Die Berufungsschrift muss von einem Bevollmächtigten unterzeichnet sein. Als Bevollmächtigte sind nur zugelassen:
1. Rechtsanwälte,
2. Gewerkschaften und Vereinigungen von Arbeitgebern sowie Zusammenschlüsse solcher Verbände für ihre Mitglieder oder für andere Verbände oder Zusammenschlüsse mit vergleichbarer Ausrichtung und deren Mitglieder,
3. juristische Personen, deren Anteile sämtlich im wirtschaftlichen Eigentum einer der in Nummer 2 bezeichneten Organisationen stehen, wenn die juristische Person ausschließlich die Rechtsberatung und Prozessvertretung dieser Organisation und ihrer Mitglieder oder anderer Verbände oder Zusammenschlüsse mit vergleichbarer Ausrichtung und deren Mitglieder entsprechend deren Satzung durchführt, und wenn die Organisation für die Tätigkeit der Bevollmächtigten haftet.
Eine Partei, die als Bevollmächtigte zugelassen ist, kann sich selbst vertreten.
* Eine Notfrist ist unabänderlich und kann nicht verlängert werden.
E.