AG Münster, Beschluss vom 14.06.2017 - 140 C 1370/17
Tenor
wird der Prozesskostenhilfeantrag des Klägers vom 03.05.2017 zurückgewiesen.
Eine Erstattung von außergerichtlichen Kosten findet nicht statt (§ 118 Abs. 1 Satz 4 ZPO).
Gründe
Die Voraussetzungen für die Bewilligung von Prozesskostenhilfe liegen nicht vor, § 114 ZPO. Die Rechtsverfolgung ist insoweit ohne Aussicht auf Erfolg (Antrag zu 1 und zu 2) bzw. mutwillig im Sinne von § 114 Satz 1 ZPO (Antrag 1 und zu 3).
Der Antrag zu 2 ist bereits deshalb ohne Aussicht auf Erfolg, da der angekündigte Antrag als unzulässig abzuweisen wäre. Dem angekündigten Feststellungsantrag fehlt das Feststellungsinteresse, § 256 ZPO, da der Antragsteller sein Leistungsziel genau benennen kann und deshalb einen Leistungsantrag stellen könnte (vgl. Becker-Eberhard in: Münchener Kommentar zur ZPO, 5. Auflage 2016, § 256 Rn. 54).
Der angekündigte Antrag zu 1 ist im Hinblick auf die geltend gemachte Unkostenpauschale in Höhe von 25,00 € - insbesondere, da weitere zu diesen Unkosten gehörige Kosten separat geltend gemacht werden - ohne Aussicht auf Erfolg, da der angekündigte Antrag als unbegründet abzuweisen wäre. Das ausnahmsweise einem Geschädigten bei Verkehrsunfällen erfolgende Zubilligen der Kostenpauschale, ohne dass der Geschädigte die Kosten konkret benennen müsste (vgl. Jahnke in: Burmann/Heß/Hühnermann/Jahnke/Janker, Straßenverkehrsrecht, 24. Auflage 2016, § 249 BGB Rn. 252), gilt nur bei Sach-, aber nicht bei reinen Personenschäden (vgl. Jahnke, a.a.O., Rn. 253).
Der angekündigte Antrag zu 1 ist im Übrigen ebenso wie der Antrag zu 3 mutwillig.
Mutwilligkeit liegt dann vor, wenn eine vermögende Partei, die für die Kosten des Verfahrens selbst aufkommen müsste, auf die entsprechende Rechtsverfolgung auch dann verzichten würde, wenn diese Rechtsverfolgung für sich gesehen Erfolg versprechend wäre (BverfG, Beschluss vom 18.11.2009, - 1 BvR 2455/08 -, NJW 2010, 988, 989 Rn. 9; BGH, Beschluss vom 15.03.2011, - V ZB 177/10 -, NJW-RR 2011, 708 Rn. 11).
Vorliegend begehrt der Antragsteller Schadenersatz in Form von Schmerzensgeld auf Grund von behaupteten Verletzungen der Wirbelsäule als Folge einer vom Antragsgegner zu 3 veranlassten Notbremsung eines Nahverkehrsbusses. Die Haftung der Antragsgegner dem Grunde nach - im Hinblick auf die verschuldete Verursachung des abrupten Bremsens des Busses - ist unstreitig; die Antragsgegner haben jedoch in Abrede gestellt, dass die behaupteten Verletzungen eingetreten sind bzw. auf dem streitgegenständlichen Vorfall beruhen. Zugleich hat die Antragsgegnerin zu 1 dem Antragsteller die Zahlung eines Schmerzensgeldes in Höhe von 250,00 € zur Abgeltung angeboten.
Bei Unterstellung der Behauptungen des Antragstellers als zutreffend liegt das von ihm begehrte Schmerzensgeld in Höhe von 2.500,00 € massiv jenseits des möglicherweise zuzusprechenden Betrages. Realistisch dürfte ein nicht unwesentlich unter 600,00 € liegender Betrag sein (vgl. auch KG Berlin, Urteil vom 29.09.2005, - 12 U 235/04 -, NZV 2006, 157, 158: 300,00 €; OLG Oldenburg, Urteil vom 21.06.1996, - 6 U 84/96 -: 1.000,00 DM; AG Gifhorn, Urteil vom 06.07.2000, - 13 C 353/00 -: 600,00 DM; sowie die weiteren Nachweise bei Slizyk in: Beck'sche Schmerzensgeld-Tabelle, 13. Auflage 2017). Dabei ist der von der Antragsgegnerin zu 1 aufgeworfene - und nicht per se auszuschließende - Einwand eines Mitverschuldens des Antragstellers auf Grund mangelnden Festhaltens im Bus noch nicht einmal berücksichtigt.
Der Antragsteller muss im Rahmen des Prozesses jedoch den Strengbeweis, § 286 ZPO, führen, dass er auf Grund des Verkehrsunfalls die behaupteten Verletzungen erlitten hat. Dazu wird die Einholung eines interdisziplinären Sachverständigengutachtens unumgänglich sein. Die dafür anfallenden Kosten werden, dies ist gerichtsbekannt, mindestens 5.000,00 € betragen; einschließlich weiterer Gerichts- und Rechtsanwaltskosten wird das Verfahren damit über 6.000,00 € Kosten verursachen.
Da mithin mehr als der zehnfache Betrag des vom Antragsteller maximal zu erreichenden Gewinns aufgewendet werden muss, um das Verfahren zu führen, kann die Rechtsverfolgung nur noch als äußerst mutwillig angesehen werden. Unter Berücksichtigung, dass die Antragsgegnerin zu 1 vorprozessual bereits 250,00 €, also bereits ca. die Hälfte des vom Antragsteller realistischer zu erzielenden Betrages, angeboten hat, ist die Relation von Einsatz und Gewinn vorliegend sogar mit dem zwanzigfachen Aufwand zu bewerten.
Eine Rechtsverfolgung ist schließlich insbesondere dann mutwillig, wenn die aufzuwendenden Kosten in keinem vernünftigen Verhältnis zum erstrebten Erfolg stehen. Maßgebend ist dabei das Verhältnis von Aufwand und wirtschaftlichem Nutzen im Erfolgsfall. Deshalb ist eine Rechtsverfolgung mutwillig, wenn die voraussichtlichen Kosten des Rechtsstreits den einzuklagenden Betrag um ein mehrfaches übersteigen würden (AG Münster, Beschluss vom 03.08.2016, - 48 C 1895/16 -; Wache in: Münchener Kommentar zur ZPO, 5. Auflage 2016, § 114 Rn. 76).
Schließlich folgt die Mutwilligkeit vorliegend auch daraus, dass der Antragsteller ein isoliertes Verfahren betreibt, was die anfallenden Kosten unnötig massiv erhöht. So verfolgt nicht nur der Antragsteller aus dem streitgegenständlichen Vorfall Ansprüche gegen die Antragsgegner, sondern darüber hinaus auch dessen Ehefrau (Az. 61 C 1426/17). Um Kosten zu sparen, könnte (und müsste) ein gemeinsames Verfahren betrieben werden (vgl. Geimer in: Zöller, Zivilprozessordnung, 31. Auflage 2016, § 114 Rn. 35); insbesondere, da das für den Prozessbevollmächtigten des Antragstellers und dessen Ehefrau durch die isolierte Prozessführung anfallende Honorar sich im Vergleich zu einem gemeinsamen Verfahren fast verdoppeln. Dies entspricht offensichtlich nicht dem Verhalten, welches eine Partei, die die Kosten des Verfahrens selbst aufbringen müsste, aufzeigen würde.
Rechtsbehelfsbelehrung:
Gegen diesen Beschluss ist das Rechtsmittel der sofortigen Beschwerde gegeben, wenn
1. der Wert der Hauptsache 600,00 EUR übersteigt,
2. das Gericht ausschließlich die persönlichen und wirtschaftlichenVoraussetzungen für die Prozesskostenhilfe verneint oder
3. das Gericht die Zahlung von Raten angeordnet hat.
Die sofortige Beschwerde ist bei dem Amtsgericht Münster oder dem Landgericht Münster schriftlich in deutscher Sprache oder zur Niederschrift der Geschäftsstelle einzulegen. Die Beschwerde kann auch zur Niederschrift der Geschäftsstelle eines jeden Amtsgerichtes abgegeben werden.
Die sofortige Beschwerde muss die Bezeichnung des angefochtenen Beschlusses sowie die Erklärung enthalten, dass sofortige Beschwerde gegen diesen Beschluss eingelegt wird. Sie ist zu unterzeichnen und soll begründet werden.
Die sofortige Beschwerde muss spätestens innerhalb einer Notfrist von 1 Monat bei dem Amtsgericht Münster, Gerichtsstr. 2 - 6, 48149 Münster, oder dem Landgericht Münster, Am Stadtgraben 10, 48143 Münster, eingegangen sein. Dies gilt auch dann, wenn die sofortige Beschwerde zur Niederschrift der Geschäftsstelle eines anderen Amtsgerichts abgegeben wurde. Die Frist beginnt mit der Zustellung des Beschlusses, spätestens mit Ablauf von fünf Monaten nach Erlass des Beschlusses.
Münster, 14.06.2017
Amtsgericht
Unterschrift
Richter am Amtsgericht